Es tut sich was in Ethereums Layer-2-Landschaft: Base setzt sich an die Spitze, Unichain startet durch, World Chain bringt dezentrale IDs ins Spiel, und die Webseite L2Beat setzt Rollups ein Ultimatum, eine Schwachstelle auszubügeln.
Ethereum ist eine prachtvolle Demonstration, wie Blockchains auf höheren Ebenen skalieren. Keine andere Kryptowährung hat dieses Prinzip so beeindruckend umgesetzt.
Im Zentrum rotiert die Beacon-Chain, der sogenannte „Consens-Layer“. Hier einigen sich die Validatoren auf den gültigen State, was den Zustand aller Smart Contracts dieses Zentrums meint.
In die Beacon-Chain klinken sich die „Rollups“ ein. Dies verarbeiten Transaktionen auf einer eigenen Blockchain und legen nur deren Ergebnis in einem Smart Contract auf der Beacon-Chain ab. Ihr müsst die Details nicht verstehen, wichtig ist hier vor allem eines: Es funktioniert!
Mittlerweile finden im Ökosystem von Ethereum bis zu 300 Operationen je Sekunde (UOPS) bzw. 250-260 Transaktionen je Sekunde (TPS) statt. Damit skalieren die Rollups die Beacon Chain um fast das 20-Fache; nur noch gut fünf Prozent aller Ethereum-Operationen finden auf der Mainchain statt.

Rollup-Aktivität nach l2beat.com
Die Webseite L2Beat nennt mehr als 50 Rollups. Von diesen verarbeiten derzeit 17 mehr als eine Transaktion je Sekunde; 18 speichern ein TVL (Total Value Locked) von mehr als 100 Millionen Dollar.
Das Ökosystem der Rollups ist quicklebendig. Wir erleben hier, wie das Internet der Werte vor unseren Augen entsteht. Ethereum ist längst so viel mehr als der Preis, der sich in den letzten Jahren eher dürftig schlägt.
TVL und UOPS
Wir betrachten heute die Top-5-Rollups nach L2Beat. Dabei fallen einige Punkte auf:
Zum einen hat sich Base an die Spitze gesetzt. Sowohl was das TVL angeht als auch die UOPS hat Base das früher führende Rollup Arbitrum deutlich hinter sich gelassen. Die beiden führenden Rollups vereinnahmen die absolute Mehrheit des Kapitals auf sich – rund 30 von 39 Milliarden Dollar -; Base sticht zudem mit einem extrem hohen Transaktionsaufkommen heraus.
Zum anderen sind zwei relativ junge Rollups in die Top-5 aufgestiegen: Unichain, das erst seit Mitte April live ist, aber schon das Milliarden-Dollar- TVL geknackt hat, und die World Chain, die im Oktober 2024 startete und bereits 24,5 UOPS verzeichnet.
Bevor wir zu den beiden neuen Rollups kommen, stellen wir in Kürze die bereits bekannten Rollups Base und Arbitrum vor sowie die unterliegenden Technologien.
Optimistische Rollups
Ein Rollup legt die Ergebnisse von Transaktionen, aber nicht deren Hergang – die Ausführung – und Signatur auf der Ethereum Blockchain ab. Anstatt Transaktionen auf der Blockchain regulär auszuführen, führt das Rollup in einem Smart Contract eine Liste mit Accounts, die es alle paar Minuten aktualisiert. Dies skaliert die Mainchain erheblich, da es den Validatoren Daten und Rechenoperationen erspart.
Der unterliegende Smart Contract sorgt dafür, dass die Betreiber der Rollups – die Sequencer – nicht oder so gut wie nicht betrügen können. Es gibt zwar oft eine zentrale Partei, aber diese kann keine Gelder unterschlagen; das Kerndesign macht es möglich, diese zentrale Partei zu dezentralisieren oder durch dezentrale Gremien zu kontrollieren. Dies geschieht bei vielen Rollups bereits.
Technologisch sind die führenden Rollups durchweg „Optimistic Rollups“, in vier von fünf Fällen nach dem Modell von OP ($0.43) (Optimistic Stack).
Ein Optimistic Rollup, erklärt die Ethereum Foundation, „generiert die Updates“ im Smart Contract auf der Beacon Chain, bei dem die User eine Art Account haben, „optimistisch, mit der Möglichkeit, dass Fraud Proofs generiert werden, um falsche State Roots zurückzunehmen.“
Wenn der Betreiber des Rollups den Smart Contract auf der Beacon Chain aktualisiert, fügt er zunächst keinen Beweis hinzu. Die User sollen annehmen, dass der Betreiber korrekt handelt. Sie haben aber die Möglichkeit, einen Beweis anzufordern, wenn Zweifel besteht, und, im Falle eines Fehlers, einen alten State wiederherzustellen. Dieses Design reduziert die involvierten Daten.
Im Gegensatz dazu stehen die „ZK Rollups„: Diese untermauern das Update durch einen „Zero Knowledge Proof“, wofür sie aber etwas mehr Daten benötigen. Unter den Top-10-Rollups haben nur Starknet, ZKSync Era und Linea dieses Modell umgesetzt. Sie haben sehr viel weniger Durchlauf haben als die großen Optimistic Rollups. Trotz der hohen Hoffnungen, die die Entwickler in ZK-Rollups gesetzt haben („das Endspiel der Skalierung„), spielen diese im Ökosystem von Ethereum nur eine Nischenrolle.
Base und Arbitrum
Base, der neue König der Rollups, wurde von der großen US-Börse Coinbase herausgegeben und erfreut sich deren reger Unterstützung. Coinbase spielt eine wichtige Rolle im Betrieb des Rollups, hat aber auch nicht mehr Rechte, als die Betreiber anderer Optimistic Rollups.
Base ist in jeder relevanten großen DeFi-App integriert. Mit Aerodrome hat es seine eigene Dezentrale Börse, die mit einer Milliarde TVL eine beträchtliche Markttiefe aufweist. Mit mehr als 100 UOPS ist Base das mit Abstand am meistbenutzte Rollup.
Ansonsten bin ich in Recherchen zu sowohl DeSci – der dezentralisierten Wissenschaft – als auch DeFAI – der Verschmelzung von KI und DeFI – immer wieder auf Base gestoßen. Viele Token – und damit auch DAOs bzw. dApps – dieser Bereiche laufen auf Base. Das Rollups könnte als wildes Labor einer der Innovationstreiber des web3 sein.
Arbitrum ist neben OP das einzige relevante Protokoll für ein Optimistic Rollup. Es hatte, als es 2021 live ging, das System der Fraud Proofs gegenüber Optimistic verbessert. Beide Protokolle haben sich seitdem deutlich weiter entwickelt.
Arbitrum wurde nach dem Start rasch zum wichtigsten Rollup für DeFi. Es fand den Weg in alle wichtigen Protokolle, hat mit gmx seine eigene quicklebendige Börse für Derivate (Perpetual Swaps) und wickelt sicher und rasch eine hohe Anzahl von Operationen ab. Ich habe bisher nur gute Erfahrungen mit Arbitrum gemacht, das rascher und zuverlässiger arbeitet als etwa die Sidechain Polygon.
Base und Arbitrum werden die Layer2-Landschaft von Ethereum weiterhin prägen und auf absehbare Zeit beherrschen. Aber sie bekommen mehr und mehr Konkurrenz durch neue, aufstrebende Rollups. Womit wir bei Unichain und World Chain angekommen wären.
Unichain
Unichain ist einigermaßen einfach zu erklären: Es ist das Rollup von Uniswap, der größten dezentralen Börse. Unichain verspricht Transkationen unter einer Sekunde, gibt Teile der Einnahmen an die Validatoren weiter und wurde für Dezentrale Finanzen (DeFi) optimiert.
Unichain entspricht technisch dem OP Stack und ist Teil der Superchain von Optimistic. Dabei scheint das Rollup zwei Innovationen beizusteuern: Es unterstützt über LayerZero, Wormhole und weitere Protokolle „nahtlose Transaktionen über Dutzende Chains.“ Wie genau dies in der Praxis wirkt, kann ich nicht sagen. Dazu führt ein „trusted execution environment (TEE)“ ein, welches die Ordnung der Transaktionen verbessert und verhindert, dass Staker durch betrugsähnliche Methoden ihre Einnahmen seigern (MEV). Dies könnte dafür sorgen, dass ehrliche User mehr Einnahmen im DeFi-Bereich machen.
Aber weniger als der technische Anteil dürfte das Rollup seinen Erfolg der Tatsache verdanken, dass es die direkte Unterstützung von Uniswap erfährt.
World Chain
Auch die World Chain führt eine Innovation ein. Es handelt sich um ein „OP Stack Rollup, das gebildet wurde, um einen Proof of Personhood zu skalieren. Es bietet Usern mit einer World ID einen priorisierten Blockspace“, beschreibt L2Beat.
World Chain ist, so die Eigenbeschreibung laut Webseite, „eine Blockchain, die für echte Menschen gemacht wurde.“ Die World Chain gehört zu Worldcoin, der Blockchain von OpenAI-Gründer Sam Altman, die durch Iris Scans eine „World ID“ schafft, mit der Menschen durch eine Wallet beweisen können, Mensch zu sein.
Word Chain ist ein schönes Beispiel dafür, wie Rollups Anreize schaffen, sich in das Ethereum-Ökosystem zu integrieren, anstatt eine eigene Blockchain aufzusetzen. Denn eigentliche hatte Worldcoin nach dem Start des WLD ($0.88)-Tokens auf Ethereum vor, eine eigene Chain zu entwickeln.
Das Rollup World Chain ist an sich ein gewöhnliches Optimistic Rollup. Die einzige Besonderheit ist, dass User, die per World ID beweisen können, ein Mensch zu sein, keine Gebühren bezahlen Zgang zu MiniApps erhalten und kann am Airdrop der WLD-Token teilnehmen können.
World Chain hat rund 500.000 aktive Wallet und eine seit dem Start im Oktober 2024 kontinuierliche Anzahl an Transaktionen. Das Handelsvolumen ist im Lauf des Mais regelrecht explodiert. Das Rollup scheint also attraktiv für User zu sein.
Stufe 0 und 1 von 2
Neben den beiden Kriterien „Aktivität“ und „TVL“ findet man bei L2Beat eine weitere Bewertung: Die Stufe („Stage“).
Die Stufe beschreibt, wie sicher Rollups tatsächlich sind. Denn es gibt in dieser Architektur einige Sicherheitslücken, die nicht jeder auf dem Schirm hat. Sobald man zentrale Akteure einführt – wie eben die Betreiber der Rollups – führt man auch neue Risiken für die User ein.
Base, Arbitrum, OP Mainnet und Unichain sind Rollups der Stufe 1, während die World Chain noch auf Stufe 0 steckt. Das Ziel wäre aber Stufe 2, das bisher nur das zweckgebundene Rollup DeGate sowie Zk.Money v1 erreicht haben. Der Fortschritt hier ist seit der Einführung der Stufen Ende 2023 eher bescheiden.
Die Stufe beschreibt die Sicherheit des Rollups, erklärt L2Beat auf seinem Blog:
- Stufe 0 hat noch die Stützräder an. Das Rollup liegt komplett in den Händen des Betreibers. Es gibt eine Open-Source-Software, die die Rekonstruktion des States zulässt, doch es bleiben zahlreiche Sicherheitslücken. Diese Stufe ist für den Anfang akzeptabel, sollte aber möglichst rasch hinter sich gelassen werden.
- Stufe 1 leitet die „Transformation zum Betrieb durch Smart Contracts ein.“ Hier bleibt lediglich ein Sicherheitsrat im Spiel, der auf mögliche Bugs reagieren kann – aber auch zum Einfallstor für Fehler und Betrug werden kann.
- Stufe 2 entfernt alle Stützräder. Das Rollup ist nur noch von einem Smart Contract regiert. Das System ist vollständig erlaubnisfrei, es gibt keine bekannten Ansätze, zu betrügen, und die Befugnisse des Sicherheitsrates sind streng begrenzt.
Worldchain entspricht derzeit Stufe 0. Es gibt nicht-verifizierte Smart Contracts, welche Hintertüren enthalten könnten, durch die Guthaben gestohlen werden. Ferner erlaubt es MEV, hat kein „Exit Window“, durch das User die Rollup verlassen können, wenn sich der Code ungünstig ändert, und das Posten von Fraud Proof wird auf eine Entität verengt, was ihren Zweck schon fast überflüssig macht.
Speziell wegen dieser Geschlossenheit der Fraud Proofs droht L2Beat, World Chain sogar den Status der Stufe 0 zu entziehen. Wenn World Chain hier in 21 Tagen nichts ändert, wird es in die Kategorie „andere“ fallen. Damit wird fraglich, ob es überhaupt den Begriff des Rollups weiter verdient.
Aber auch bei den anderen Rollups ist nicht alles perfekt. Alle, die dem OP Stack folgen – also alle außer Arbitrum – haben von L2Beat ebenfalls ein Ultimatum erhalten. Sie haben noch 61 Tage Zeit, etwas zu ändern, um nicht auf Stufe 0 zurückversetzt zu werden.
Der Grund ist hierfür ist, dass L2Beat seine Anforderungen verschärft hat. Bei einem Rollup der Stufe 1 darf „nur eine 75-Prozent-Übernahme des Sicherheitsrates es ermöglichen, dass das Posten einer L2->L1-Nachricht – wie sie für Auszahlungen nötig sind – verhindert oder das Platzieren einer falschen L2->L1-Nachricht – etwa um Guthaben zu stehlen – möglich wird“.
Dieser Anforderung scheint derzeit nur Arbitrum gerecht zu werden. Denn während dieses die User durch eine 17-tätige Verzögerung der Upgrades vor böswilligen Veränderungen der Smart Contracts schützt, treffen Upgrades der Rollups aus dem OP Stack die User sofort.
Insgesamt sind die Rollups also noch längst nicht auf dem Stand, auf dem sie sein sollten – doch das Ökosystem, das durch sie entstand, ist schon heute mehr als beeindruckend.