Während immer mehr Länder sich danach sehen, eine Bitcoin-Reserve anzuhäufen, bekam Sachsen eine geschenkt – verkaufte sie aber überstürzt bis auf den letzten Satoshi. Mit den so verpassten Gewinnen könnte das Land schon heute mehr als 30.000 Mitarbeiter bezahlen.
Langsam kommt Bitcoin mehr und mehr in den Staatsfinanzen an. Das kleine Bhutan, ein Königreich im Himalaya, hält nun eine Bitcoin-Reserve von 1,15 Miliarden Dollar.
Die USA könnte unter Donald Trump eine Bitcoin-Reserve einführen, eine Senatorin hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, dass die Regierung eine Million Bitcoins erwirbt. Doch schon jetzt plant etwa der Staat Pennsylvania, eine eigene Reserve aufzubauen.
Darüber hinaus, erklärt der gut informierte Dennis Porter, haben ihn zwei Nationen eingeladen, im Parlament über eine strategische Bitcoin-Reserve zu sprechen. Eine in Lateinamerika, eine in Europa.
Ferner, behauptet David Bailey, CEO des Bitcoin-Magazins und Berater von Donald Trump, dass mindestens eine weitere Nation bereits beträchtliche Mengen Bitcoins angehäuft haben. Zudem, betont er heute, „hat mir jemand, der es sehr gut weiß, erzählt, dass Präsident Xi seine Ansicht über Bitcoin komplett verändert hat als Antwort auf Trumps Präsidentschaft. China wird nicht die Bitcoin-Reserven verkaufen.“
China und die USA halten beide seit Jahren beträchtliche Mengen Bitcoins aus Beschlagnahmungen. Der Verkauf geht durch die regulären Mühlen, die oft Jahre in Anspruch nehmen. Trump hat angekündigt, ihn zu stoppen, um die Coins einer Reserve zuzuführen. China plant nun laut Bailey dasselbe.
In der Golfregion führt in Bahrain eine Bank in Staatsbesitz ein durch Bitcoin gedecktes Finanzprodukt ein, in Argentinien stellt die Zentralbank Bitcoin-Miner aus, und in Äthiopien investiert der nationale Investmentfonds ins Bitcoin-Mining.
Es ist nicht mehr zu leugnen: Mehr und mehr Staaten finden Bitcoin interessant und hätten gerne eine nationale Reserve. Wie praktisch wäre es nun, wenn einem aus Zufall eine gewaltige Menge Bitcoins in die Hände fällt, so dass man die Reserve, die alle wollen, geschenkt bekommt? – Willkommen in Sachsen!
Sachsens unverhoffter Bitcoin-Segen
Wie ihr vermutlich wisst, kam Sachsen in diesem Jahr an 50.000 wie die Jungfrau zum Kind. Die Bitcoins kamen von Movie2k, einer Filesharing-Plattform, deren Betreibern in Sachsen der Prozess gemacht wird.
Sachsen hatte die Bitcoins Mitte Januar beschlagnahmt und war über Nacht einer der größten staatlichen Bitcoin-Holder geworden. Allerdings verkaufte das Justizministerium die Bitcoins als „Notveräußerung“ noch im Juli und nahm hübsche 2,639 Milliarden Dollar ein.
Niemand hätte erwartet, dass Sachsen die gesamten 50.000 Bitcoins in eigener Regie in eine staatliche Reserve überführt. Aber – wäre es wirklich nötig gewesen, alle Coins ohne Rücksicht auf Preisverluste abzuwerfen? Musste es wirklich so schnell geschehen, anstatt wie andere Staaten den Fortgang der regulären Prozedur abzuwarten? Und hätte man nicht etwa das Landesparlament fragen und Experten anhören können?
Fakt ist, dass Sachsen die Gelegenheit hatte, vollkommen kostenlos eine Bitcoin-Reserve zu erhalten, für die sie viele größere Nationalstaaten beneidet hätten – und dass Sachsen diese Chance panikartig verschenkt hat.
Alle haben alles richtig gemacht
Eine Seite des Blocktrainers führt das Resultat dieses Panik-Verkaufs vor Augen.
Die Bitcoins wären heute 4,46 Milliarden Euro wert, damit also 1,82 Milliarden Euro mehr. Sachsen hat einen Wertzuwachs von fast 69 Prozent verspielt.
Um das in Relation zu setzen: Die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst von Sachsen verdienen durchschnittlich 53.500 Euro im Jahr. Mit 1,82 Milliarden Euro könnte man mehr als 34.000 Staatsdiener bezahlen, was etwa einem Siebtel aller Mitarbeiter im öffentlichen Dienst des Landes entspricht. Die Zahlen sind sehr grob, verdeutlichen aber die Größenordnung. Sachsen hätte mit der Summe fast die gesamten Schulden der sächsischen Gemeinden abzahlen können.
Klar, man hätte das nicht wissen können. Zumindest nicht sicher, auch wenn die eine oder andere Information zu diesem Zeitpunkt schon verfügbar war. Genügend zumindest, um nicht ohne jede parlamentarische Absprache überstürzt alle Coins abzustoßen. Hätte es nicht gereicht, erst mal eine Milliarde rauszuholen? Oder ein wenig zu warten, wie sich Kurs und Ökosystem weiter entwickeln?
Das Ergebnis spricht für sich, und zwar in den lautesten, schrillsten Tönen. Sollte sich der Bitcoin-Aufstieg fortsetzen, wird der Panikverkauf Sachsens als das größte fiskalische Scheitern eines deutschen Bundeslandes in die Geschichte eingehen.
Es geht hier nicht darum, Sachsen einen Fehler unter die Nase zu reiben oder besserwisserisch zu sagen, man habe es ja gewusst. Es geht vielmehr darum, dass wir jetzt eine Tatsasche haben und es darauf ankommt, wie man mit ihr umgeht.
Bisher hat nicht ein Politiker oder Beamter Sachsens eingestanden, dass dies ein Fehler war. Bisher gibt es nicht einen Vorschlag, wie man es in Zukunft anders machen kann oder wie man es verhindern hätte können. Die Grundhaltung scheint zu sein, dass der Generalstaatsanwalt, der die Notveräußerung initiierte, sich schließlich nur an Regeln gehalten hat. Wenn das Ergebnis dann verheerend ausfällt, muss man es hinnehmen, so wie ein Regenwetter.
Aber ist das wirklich der maximale Anspruch, den man an das höchste juristische Amt in einem Bundesland haben darf?